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Dienstag, 24.10.2023
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Wie können Juden und Muslime jetzt noch zusammenfinden?Meinungsaufsatz von Dr. Muhammad Sameer Murtaza über den seit Jahrzehnten anhaltenden Nahost-Konflikt, die Besatzung, die jüngsten katastrophalen Ereignisse in Israel und Gaza und den Umgang mit HamasWie beginnt man einen solchen Beitrag…? Vielleicht mit dem Selbstverständlichen: Die HAMAS ist keine Widerstandsbewegung. Sie ist nach islamischen Maßstäben eine Terrororganisation, da sie gezielt und auf bestialische Weise Zivilisten tötet und entführt. Die Anschläge der HAMAS auf Israel am 7. Oktober waren ein Terrorangriff. Die Tat der HAMAS und die Terrororganisation selbst sind als böse zu bezeichnen, denn es gibt zwischen Täter und Tat keine Zweiheit. Den Angehörigen der Opfer gilt unser Mitgefühl und für die Toten erheben wir Muslime uns, so wie es uns der Prophet Muhammad gelehrt hat. Der israelische Staat hat das Selbstverteidigungsrecht auf seiner Seite, militärisch zurückzuschlagen und seine Bürger wieder nach Hause zu holen. Demonstrationen für Frieden zwischen Israelis und Palästinenser sowie zum Schutz der palästinensischen Bevölkerung vor Leid sind ethisch völlig legitim. Abgrundtief falsch ist es, die HAMAS und ihre Taten zu feiern. Wer dies tut, macht sich zum verlängerten Arm einer Terrororganisation und verhöhnt die Opfer. Wer für die HAMAS skandiert, sollte sich ernsthaft die Frage stellen, ob er sich wirklich in einer Linie mit Mördern, Feiglingen und Vergewaltigern stellen will. Wer als iranisches U-Boot an Demonstrationen teilnimmt und in den sozialen Netzwerken sich als Brandstifter betätigt, sollte sich fragen, ob er sich wirklich mit einem toxischen und korrupten Regime identifizieren will, das von seiner eigenen Bevölkerung verflucht wird. Weiter ist es falsch, zur Zerstörung Israels aufzurufen, da ein Staat stets die Summe seiner Einwohner ist, denen man hierdurch den Tod herbeiwünscht. Ferner ist es zutiefst verwerflich, Juden zu diffamieren, gegen sie zu hetzen, gar Gewalt an ihnen zu verüben. Jeder, der einen Juden angreift, greift damit zugleich einen Muslim an, denn Juden und Muslime sind Geschwister in dem Glauben an den einen Gott und verbunden durch Abraham. Ebenso verabscheuenswürdig ist es, Synagogen zu attackieren. Wer solches tut, bezeugt dadurch nur seinen Unglauben und begibt sich in Opposition zu Gott. Wer Synagogen angreift, greift zugleich Moscheen an, denn in beiden Häusern wenden wir uns dem Ewigen zu. Unmoralisch ist es gleichermaßen, dass Leid der Palästinenser im Zuge von Bombardements des Gazastreifens zu trivialisieren und als Kollateralschaden abzutun. Das Leben eines palästinensischen Kindes ist nicht weniger wert als das eines israelischen Kindes. Mit dem Terroranschlag am 7. Oktober hat die HAMAS den festgefahrenen Status quo zwischen dem Gazastreifen, indirekt auch der Westbank, und dem Staat Israel aufgebrochen. Die HAMAS zwingt Israel nun zum Handeln. Die HAMAS bringt damit Leid über die Menschen im Gazastreifen. Weiter ist der Terroranschlag eingebettet in geopolitische Veränderungen, die eine Zeitenwende darstellen, da dem Westen zunehmend seine globale Dominanzposition abhandenkommt. Russland kann nun hoffen, dass die westliche Unterstützung für den Ukraine-Krieg schwächelt, und der Iran konnte die Annäherung Saudi-Arabiens an Israel im Zuge des unter Präsident Trump beschlossenen Abraham Abkommen zumindest zeitweilig stoppen. Damit kann aber nicht alles gesagt sein. So grausam die Taten der HAMAS sind, entbindet uns dies nicht von der Frage, was mit dem Gazastreifen, der Westbank und den Palästinensern zukünftig geschehen soll. Weder die Taten der HAMAS, noch das Leid der Opfer sollen durch solche Überlegungen relativiert werden. Auch sollen sie kein Sprungbrett sein, um aus den gegenwärtigen Opfern Täter zu machen. Aber Philosophen, darauf hat Slavoj Žižek versucht kürzlich auf der Frankfurter Buchmesse aufmerksam zu machen, müssen über den Tag hinausdenken, wenn es schon niemand anderes tut. Andernfalls erlebt der Westen eine ähnliche Niederlage wie im Kampf gegen die Taliban. Zur Erinnerung: 2008, 2012, 2014, 2021 und 2022 gab es bereits Waffengänge zwischen der HAMAS und Israel. Und die HAMAS existiert noch immer. Wir haben es hier mit einer Wiederkehr des Gleichen zu tun und dieser gordische Knoten kann nur durchschlagen werden, indem wir im Schatten dieser Tragödie auch die palästinensische Frage in Blick nehmen. Die Palästinenser leben seit 56 Jahren unter israelischer Besatzung. Allein diese Aussage ist ein Widerspruch in sich, denn eine Besatzung sollte kein Dauerzustand sein. Heute stehen sich die dritte Generation Besatzungsmacht der dritten Generation von Besetzen gegenüber. Beide Seiten kennen so etwas wie Normalität nicht. Die Weltgemeinschaft hat sich mit dieser Lage weitestgehend zufriedengegeben. Sie hofft durch Geldtransfers an die Palästinenser und Lippenbekenntnisse zu einer längst unmöglich gewordenen Zwei-Staaten-Lösung, dass sich diese mit ihrer ausweglosen Situation einfach so abfinden. Aber Menschen dürsten nach Souveränität und Freiheit. Die Weltgemeinschaft hat diese Menschen im Stich und sie nach dem Wahlsieg der HAMAS 2006 mit dieser allein gelassen. In der westlichen medialen Berichterstattung wird seit jeher der Konflikt simplifizierend als ein Konflikt zwischen Judentum und Islam, zwischen Juden und Muslimen dargestellt. Nicht einmal tertiär ist dies ein Konflikt zwischen Juden und Muslimen. Der Nahost-Konflikt ist in erster Linie ein territorialer Konflikt, bei dem es zwischen der palästinensischen und der israelischen Seite, aber auch innerhalb der beiden, unterschiedliche Grenzvorstellungen gibt. Bis heute ist unklar, über was eigentlich gesprochen wird. Einen palästinensischen Staat ohne Israel, wie es der Wunsch der HAMAS ist? Einen palästinensischen Staat an der Seite Israels, der den Gazastreifen, die Westbank und Ostjerusalem umfasst? Das biblische Israel ohne einen palästinensischen Staat, wie es das Ziel der Siedlungsbewegung ist? Ein israelischer und ein palästinensischer Staat in gänzlich neu gezogenen Grenzen? Bereits heute befindet sich aufgrund der jüdischen Siedler der mögliche Grenzverlauf in beständiger Bewegung, ohne dass man ihnen Einhalt gebietet. Der Nahost-Konflikt ist in zweiter Linie ein ökonomischer Konflikt. Die Westbank, der Gazastreifen und Israel verzeichnen ein enormes Bevölkerungswachstum, sind aber zugleich mit knappem Wohnraum und einem Erschöpfen der landwirtschaftlichen Ressourcen konfrontiert. Die Siedlungsbewegung bietet sich hier für Israel als einen Ausweg aus dieser Problematik an. Zugleich werden hierdurch die Siedlungsfläche und die landwirtschaftliche Nutzfläche für die Palästinenser in dem ihnen verbliebenen Landstrich immer knapper. Schon heute ist aufgrund von Wasserknappheit der israelische Staat auf das Wasser in der Westbank angewiesen, während die dortige palästinensische Bevölkerung unter Wassermangel leidet. Der Nahost-Konflikt ist in dritter Linie ein regionaler Konflikt, da der UN-Teilungsplan von 1947 von der arabischen Staatenwelt, und darüber hinaus muslimischen Welt, nicht anerkannt wurde. Erst Trump schaffte etwas, was keinem US-Präsidenten zuvor gelang – auch nicht dem Friedensnobelpreisträger Obama – nämlich mit dem Abraham Abkommen den Status quo aufzubrechen. Heute gibt es zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Israel eine Normalisierung des Verhältnisses und die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen. Erst in vierter Linie ist der Nahost-Konflikt auch ein religiöser Konflikt. Genauer von inzwischen ideologisierten Religionen, die das Prinzip der Raumbeherrschung über das Gebot der friedlichen Koexistenz gestellt haben. Für diese religiösen Aktivisten ist das Land zum goldenen Kalb geworden, das alle Mittel zur Vernichtung des anderen für legitim erklärt. Die HAMAS betreibt dies durch Terroranschläge, die Siedler, indem sie den Palästinenser jegliche Existenzgrundlage wegnehmen. Ideologisierung von Religion bedeutet stets Pervertierung von Religion. Durch die einseitige Darstellung dieses Konfliktes verhindern Medien und Politik Aufklärung und differenziertes Denken. Und so finden sich Muslime und Juden weltweit oft in der Situation wieder, dass sie zu Stellvertretersoldaten werden müssen. Man ist nicht mehr nur Jude, sondern das Jüdischsein steht in Verbindung zu einer unkritischen Loyalität zu dem Staat Israel. Man ist nicht mehr nur Muslim, sondern das Muslimsein steht in Verbindung zu einer unkritischen Loyalität zu Palästina – mitunter zur HAMAS. Nach dem Konflikt verschwinden alle diese Stellvertretersoldaten von der Bildfläche und übrig bleibt die muslimische und jüdische Putzkolonne, die die Scherben wegfegen und Beschädigtes versucht halbwegs zu reparieren. Es ist die Wiederkehr der immer gleichen Situation, und dies bereits seit 2008. Aus diesem Zyklus können wir ausbrechen, wenn wir uns als Juden und Muslime folgendes klar machen: Wir sind nicht verantwortlich für diesen Konflikt und wir können ihn nicht lösen. Dies ist Aufgabe der israelischen Regierung und der Palästinensischen Autonomiebehörde. Niemals sollten wir uns als Stellvertretersoldaten vereinnahmen lassen, sondern uns einen kritischen Blick auf beide Seiten des Konfliktes bewahren. Verbünden sollten wir uns mit den auf beiden Seiten leidtragenden Menschen. Auf der organisierten Ebene sollten Juden und Muslime sich zusammensetzen und hinsichtlich Nahost ehrlich machen. Wollen wir immer wieder unter die Räder dieses Konfliktes geraten oder gemeinsam eine Deeskalationsstrategie entwickeln, die zumindest symbolische Strahlkraft hat? Eine solches Zeichen wäre das gemeinsame Eintreten für einen gerechten Frieden im Nahen Osten in jeglichen Grenzen, ein gemeinsames Trauern für die Toten auf beiden Seiten, eine gemeinsame Verurteilung des Terrors der HAMAS, eine gemeinsame Missbilligung des Missbrauches von Gottes Namen für Gewalt, ein gemeinsames zur Verantwortung ziehen der unfähigen politischen Klasse Israels und der Palästinenser. Juden und Muslime, Seite an Seite, die sich nicht von diesem Konflikt vereinnahmen lassen, welch eine außergewöhnliche Geste an eine irrationale Welt wäre dies. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, dass die Chancen für einen palästinensischen Staat schwinden. Sie war da, 1995! Die Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Rabin durch einen jüdischen Extremisten hat sie zunichte gemacht. Heute ist die Ausgangslage wesentlich schlechter. Versuchen wir uns einmal in jedwede israelische Regierung hineinzuversetzen, die gewählt wurde, um die Interessen ihrer Bevölkerung zu vertreten. Welche Möglichkeiten hätte eine solche Regierung? Sie könnte zum einen die Westbank und den Gazastreifen annektieren. Durch die offizielle Vergrößerung seines Staatsgebietes würde Israel sich aber in einen zusätzlichen Konflikt mit seinen Nachbarstaaten begeben, die sich von der neuen Größe bedroht fühlen könnten. Schwerwiegender dürfte es aber sein, dass sich die Demographie in Israel zugunsten der arabischen Ethnie verschieben würde. In einem säkularen Staat sollte dies kein Problem darstellen, da man eben nicht Araber, Jude oder Muslim ist, sondern Bürger. Aber Israels Selbstverständnis ist das eines jüdischen Staates, der bei aller Religionsfreiheit, sich unweigerlich in einem Spannungsverhältnis zu seiner Säkularität befindet. Ein jüdischer Staat, in dem die Juden plötzlich die Minderheit darstellen, ist politisch nicht umsetzbar. Keine israelische Regierung könnte diesen Weg beschreiten. Welche weiteren Möglichkeiten hätte eine solche Regierung? Sie könnte die Gründung eines palästinensischen Staates zulassen. Dies wäre zugleich mit der Räumung der jüdischen Siedlungen in der Westbank verbunden, was den Staat in einen erheblichen, mitunter auch gewaltsamen Konflikt mit der demographisch immer stärker anwachsenden Gruppe der nichtsäkularen religiösen Israelis bringen könnte. Auch würde ein palästinensischer Staat die Wasserversorgung der israelischen Bevölkerung gefährden. Und zuletzt bestünde die Gefahr, dass in einem Palästinenserstaat die HAMAS durch demokratische Wahlen an die Macht gelangt und ganz andere Möglichkeiten hätte, Israels Sicherheit zu gefährden. Keine israelische Regierung könnte diesen Weg gehen, insbesondere nicht nach dem jüngsten Terroranschlag. Und mit einem Mal müssen wir anerkennen, dass Israel kaum Handlungsmöglichkeiten besitzt, außer immer wieder militärisch zurückzuschlagen. Nach einem Gazakrieg ist dann stets vor dem nächsten Gazakrieg. Die Aufrechterhaltung des Status quo, so zynisch dies klingt, samt der sich wiederholenden Waffengänge und dem damit verbundenen Blutzoll der eigenen Bevölkerung ist eher vertretbar als alle anderen Optionen. Und genau dies zeigt im Augenblick das Agieren der HAMAS. Mag es politisch momentan so aussehen, dass ein Frieden im Nahen Osten unmöglich erscheint, so muss dies nicht bedeuten, dass es nicht andere gangbare Wege gibt, die ein Morgen bereiten können. Die westliche Perspektive hat stets das palästinensische Leid im Zuge der israelischen Staatsgründung ausgeblendet. Zwangsvertreibungen, Massaker an jenen, die nicht weichen wollten, Enteignungen sowie Plünderungen; alles dies wurde zu einer Nebensache trivialisiert, wie der aktuelle Kurzroman der palästinensischen Autorin Adania Shibli treffend betitelt ist. Warum? Vielleicht, weil der israelische Staat im Zuge der Shoa zu sehr idealisiert wurde. Vielleicht, weil wir Deutschen die Israelis uns als kulturell näher empfinden und sie uns einfach sympathischer sind als die Palästinenser. Wie auch immer, wir haben eine Hierarchie der Wertigkeit von Leid geschaffen, wonach das palästinensische Leid nicht das gleiche Gewicht hat wie das der Israelis. Wir müssen lernen, beides zusammenzudenken: Für Juden stellt Israel nach einer jahrhundertelangen Geschichte von Pogromen bis hin zur Shoa in Europa einen sicheren Hafen dar. Für Palästinenser stellt der erlittene Verlust der Heimat eine Katastrophe, zu Arabisch Nakba, dar. Die arabische Perspektive hat ebenso das israelische Leid im Zuge von barbarischen Selbstmordattentaten stets ausgeblendet und versucht, den Terror durch Religion, linke postkoloniale Argumente und Whataboutism zu rechtfertigen. Warum? Vielleicht aus Missgunst, weil Israel all das verkörpert, was die muslimische Welt für sich nach dem Ende des Kolonialismus erhofft hatte: Religiosität, materieller Fortschritt, Selbstbestimmung und ökonomische Prosperität. Vielleicht, weil der Dauerzustand der Besatzung, der Siedlungsbau und die Entrechtung der Palästinenser an die gerade gemachte Erfahrung des Kolonialismus erinnerte. Wie auch immer, auch in der arabischen und muslimischen Welt wurde eine Hierarchie der Wertigkeit von Leid geschaffen, wonach das israelische Leid nicht das gleiche Gewicht hat wie das der Palästinenser. Aber Israel ist da und Israel wird bleiben! Auch hier muss neu gedacht werden: Ja zum Existenzrecht Israels in gesicherten Grenzen und Ja zum Existenzrecht für die Palästinenser in gesicherten Grenzen oder Ja zum Existenzrecht Israels in gesicherten Grenzen und Ja zu umfassenden Bürgerrechte für die Palästinenser in einem demokratischen und säkularen israelischen Staat. Wohlgemerkt: Dass ist keine Wenn-Dann-Satzkonstruktion. An dieser Stelle wird jeder Araber und Muslim sich fragen: „Und was ist mit den Israelis?“ Sicherlich, die Israelis müssen sich, aber auch der Weltgemeinschaft, ehrlich die Frage beantworten, wann die Besatzung endet und was aus den Palästinensern werden soll. Als Besatzungsmacht steht Israel hier in Verantwortung. Jedoch können wir als Muslime unsere grundsätzliche Position nicht von Wenn-Dann-Forderungen abhängig machen. Wir müssen von unserem islamischen Ethos geleitet sein, statt davon, wie sich andere verhalten. Als muslimische Deutsche müssen wir uns klar gegen Antisemitismus positionieren, aber hinsichtlich Nahost können wir nicht das palästinensische Leid ausblenden. Wir brauchen hierzulande Räume, um über die Nakba und die Erfahrung des HAMAS-Terrors miteinander sprechfähig zu werden. Wir müssen zu einer gemeinsamen Sprache finden, die vor antisemitischen Weltbildern gefeit ist – dass wir anstrengend werden, dass wird Zeit brauchen, dass wir ein Lernprozess werden, der von Fehlern und Missverständnissen begleitet sein wird. Wenn wir aber diese Räume nicht schaffen, in der Menschen ihr Leid aussprechen und einander begegnen können, dann treiben wir die Gemäßigten auf beiden Seiten in die Arme der Extremisten auf beiden Seiten. Hierzulande verbittet sich die Mehrheitsgesellschaft, dass Muslime, säkulare arabische Nationalisten und Palästinenser ihre Abscheu der HAMAS mit einer Kontextualisierung der Gewaltspirale im Nahen Osten verbinden. Es gibt hier keine Zuhörbereitschaft und schnell wird man von Debatten ausgeschlossen. Wenn man z. B. männliche Gewalt mit patriarchalischen Strukturen erklärt, bedeutet dies noch lange nicht, dass damit der Gewalttäter entschuldigt wird. Diese Kontextualisierung und die Bereitschaft zuzuhören, hierauf hat Žižek hingewiesen, ist jedoch nötig, damit Begegnung stattfinden und eine Heilung auf beiden Seiten stattfinden kann. Nur wenn Palästinenser und Israelis Räume erhalten, in denen sie ihre Narrative erzählen können, ohne das Leid des jeweils anderen zu relativieren, kann etwas in den Herzen und Köpfen der Menschen in Gang kommen. Und eine solche Begegnung ist die beste Präventionsmaßnahme gegen Antisemitismus. Dr. Muhammad Sameer Murtaza ist Islam- und Politikwissenschaftler, islamischer Philosoph und Buchautor. Er ist Autor von Bücher wie Gewaltlosigkeit im Islam, Schalom und Salam: Wider den islamisch verbrämten Antisemitismus und Die Friedensmacher: Ethos und Ethik im Islam.
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